Kundenprobleme finden

Für selbstständige App- und Software-Entwickler ist es notwendig, Lösungen zum Problemen zu finden, und diese mit einem selbst entwickelten Tool zu lösen.
Doch dazu ist es notwendig, zuerst die Probleme zu kennen.

„Ist das wirklich ein Problem für dich?“

Das ist genau die Art von Frage, die deine Recherche von Anfang an zum Scheitern bringt. Warum?

Wenn du jemanden fragst, ob er ein Problem hat, bekommst du eine gefilterte, rationale Antwort. Aber wenn du „live“ verfolgen kannst, wie jemand aktiv mit genau diesem Problem kämpft?

Dann bekommst du echte Emotionen, konkrete Details und, vor allem, die Wahrheit.

Es ist der Unterschied zwischen der Frage „Wie gehst du mit technischen Herausforderungen um?“ und dem Finden ihres Reddit-Posts um 1 Uhr morgens mit dem Titel: „Warum braucht jedes ‚No-Code‘-Tool einen Entwickler, um es einzurichten?!“

Überleg mal. Wenn jemand gerade mit einem Problem kämpft, wird er dir genau sagen:

  • In welcher spezifischen Situation er steckt
  • Was ihn stört (von großen Frustrationen bis hin zu subtilen Bedürfnissen)
  • Was er schon versucht hat und warum es nicht funktioniert hat
  • Wieviel er bereit ist zu investieren und warum
  • Seine grundlegenden Überzeugungen darüber, wie Dinge funktionieren sollten oder nicht

Diese Art von rohem, ungefiltertem Feedback ist unschätzbar wertvoll für Produktentwicklung und Marketing. Der Haken? Diese wertvollen Einblicke findest du nicht in sorgfältig formulierten Social-Media-Posts. Stattdessen wirst du sie an Orten entdecken, wo Menschen sich sicher fühlen, um sich zu beschweren, Dampf abzulassen und „dumme“ Fragen zu stellen – ohne Angst vor Bewertung.

Warum organische Diskussionen besser sind, als Leute zu fragen

Das passiert, wenn man Menschen dabei erwischt, wie sie tatsächlich mit einem Problem kämpfen (anstatt sie nur danach zu fragen):

  • Man erfährt die schmutzigen Details: Anstelle eines sauberen „Ja, das kann manchmal schwierig sein“ erhältst du „Ich habe gerade 45 Minuten in der Warteschleife verbracht, nur um mir sagen zu lassen, dass ich stattdessen eine E-Mail schreiben soll. Warum bezahle ich dafür 99 €/Monat?“
  • Du weichst dem Beobachtereffekt aus: In dem Moment, in dem du jemanden fragst, ob etwas ein Problem ist, setzt er seine professionelle Maske auf. Es wird rationalisiert und heruntergespielt. Aber wenn man sie in einem unbewachten Moment erwischt? Dann kommen ihre wahren Herausforderungen zum Vorschein.
  • Du hörst ihre wahre Stimme: Niemand filtert seine Sprache oder versucht, klug zu klingen. Sie machen sich einfach Luft. So erhältst du genau die Worte, die du brauchst , um Marketingtexte zu schreiben, die ankommen.

Um diese authentischen Gespräche zu finden, brauchst du zwei Dinge: die richtigen Plattformen und die richtigen Tools. Im Folgenden zeige ich dir vier spezifische Plattform- und Toolkombinationen, die ich verwende, um immer wieder wertvolle Kundeneinblicke zu gewinnen.

Verwende den Hive Index, um interessante Communities für die Recherche zu finden

The Hive Index hilft dir dabei, herauszufinden, wo deine Zielkunden bereits Gespräche führen.

So kannst du ihn für deine Recherche nutzen:

Definiere dein Forschungsterrain

  • Beginne mit deinem Kernthema (z. B. „Marketing“ oder „SaaS“).
  • Notiere dir angrenzende Themen, in denen Kunden möglicherweise Probleme diskutieren (z. B. wenn du Software für E-Mail-Marketing entwickelst, recherchiere auch zu „Sales“, „CRM“ und „Marketing-Automatisierung“ – deine Kunden diskutieren E-Mail-Probleme wahrscheinlich in all diesen Bereichen).
  • Suche nach Nischen-Communities, in denen Menschen detaillierter über ihre Herausforderungen sprechen (z. B. anstelle von allgemeinen „Digital-Marketing“-Communities gezielt Gruppen wie „E-Commerce-E-Mail-Spezialisten“ oder „Klaviyo Power Users“, wo technische Herausforderungen bei der Umsetzung diskutiert werden).

Fokussiere dich auf Plattformen mit Diskussionsschwerpunkt

  • Foren und Slack-Gruppen bieten oft tiefere Gespräche.
  • Reddit-Communities teilen Probleme oft ehrlicher und direkter.
  • Spezialisierte Discord-Server hosten häufig detaillierte technische Diskussionen.

Achte auf forschungsfreundliche Merkmale

  • Foren (wo Menschen detaillierte Fragen stellen).
  • Chats (für Echtzeit-Diskussionen über Probleme).
  • Mitgliederanzahl (1.000–20.000 Mitglieder ist ideal – genug Aktivität, um Muster zu erkennen, aber klein genug, damit die Leute offen teilen).

Nutze Reddit, um verbundene Kundenprobleme aufzudecken

Reddit beherbergt einige der ehrlichsten Kundendiskussionen überhaupt – vorausgesetzt, du weißt, wo du suchen musst (es ist auch mein persönlicher Favorit).

Anvakas Reddit-Karte zeigt dir genau, wo sich deine Kunden aufhalten und offen über ihre Probleme sprechen.

So nutzt du die Karte:

  • Beginne mit einem bekannten Subreddit (z. B. r/marketing).
  • Klicke auf die Knotenpunkte, um verbundene Communities zu entdecken.
  • Suche nach kleineren Subreddits (unter 50.000 Mitgliedern), in denen Menschen tatsächlich Fragen stellen.

Hier zeigt sich der Wert von Anvakas Karte: Durch die Visualisierung verbundener Subreddits kannst du erkennen, wie ein Problem in unterschiedlichen Communities auftaucht – wie das Zusammensetzen eines Puzzles.

Ein Beispiel:
Wenn du ein Tool für die Planung von Social-Media-Beiträgen entwickelst, starte bei r/marketing. Die Karte könnte dich zu r/agency, r/freelance und r/socialmediatools führen.

Nun sieh dir an, wie ein Problem mit der Bildqualität in jedem Subreddit anders beschrieben wird:

  • In r/marketing: „Warum sehen meine geplanten Bilder auf dem Handy pixelig aus, obwohl sie in der Vorschau gut aussehen?“
  • In r/agency: „Kunde ist wütend, weil das Logo auf geposteten Bildern unscharf ist. In der Vorschau war es kristallklar!“
  • In r/freelance: „Verschwende Stunden mit dem erneuten Hochladen von Bildern, weil sie auf Kartoffelqualität komprimiert werden.“
  • In r/socialmediatools: „Ich zahle für professionelle Fotos, aber die Posts sehen aus, als wären sie mit einem Handy von 2005 aufgenommen worden.“

Durch das Folgen dieser Verbindungen bietet dir jeder Subreddit eine neue Perspektive – von technischer Frustration bis hin zu geschädigten Kundenbeziehungen. So verstehst du nicht nur den Bug, sondern auch dessen tatsächliche geschäftliche Auswirkungen.

Verwandle Slack-Communities in Echtzeit-Forschungskanäle

Slack-Communities sind wahre Goldminen, weil du Probleme genau in dem Moment einfängst, in dem sie auftreten. Dank der Echtzeit-Natur von Slack posten Menschen, wenn sie gerade feststecken, frustriert sind oder sofort Hilfe benötigen.

So nutzt du diese Gespräche optimal:

Finde die richtigen Communities:

  • Nutze TheHiveIndex und Slofile (speziell für Slack), um aktive Slack-Gruppen zu entdecken.
  • Suche sowohl nach breiten (z. B. „Marketing“) als auch nach Nischen-Communities (z. B. „Marketing-Ops“).

Richte Keyword-Benachrichtigungen in Slack ein:

  • Verwende allgemeine Hilfsphrasen (z. B. „Weiß jemand, wie man…“, „Ich kämpfe mit…“, „Hilfe benötigt“), wenn du noch dabei bist, den Problemraum zu erkunden.
  • Nutze branchenspezifische Begriffe (z. B. im Marketing: „Attribution“, „Conversion Tracking“, „Lead Scoring“), wenn du die Schmerzpunkte genauer eingrenzen möchtest.
  • Beobachte Namen von Wettbewerbern und alternativen Lösungen, wenn du bereits tiefer eintauchst.

So kannst du die Gespräche verfolgen, während sie stattfinden, und wertvolle Einblicke in die realen Herausforderungen deiner Zielgruppe gewinnen.

Nutze die Kommentarbereiche auf LinkedIn

Die meisten Menschen suchen in den Beiträgen von Influencern nach Erkenntnissen. Doch der wahre Wert liegt in den Kommentaren, wo ihre Follower ihre echten Herausforderungen, Zweifel und Einwände preisgeben.

Während alle anderen darauf achten, was Influencer sagen, kannst du die rohen, ungefilterten Reaktionen ihrer Zielgruppe analysieren.

So nutzt du LinkedIn gezielt:

  • Suche nach deinem spezifischen Thema (z. B. „Sales-Automatisierung“).
  • Filtere die Ergebnisse nach „Beiträge“ und „Letzter Monat“.
  • Suche nach Beiträgen mit:
    • Mindestens 15+ Kommentaren
    • Aktiven Diskussionen in den Threads
    • Antworten des Autors auf Kommentare

💡 Pro-Tipp: Wenn du einen guten Beitrag findest, überprüfe den bisherigen Verlauf des Autors. Die besten Creator schaffen es regelmäßig, bedeutungsvolle Diskussionen auszulösen. Folge ihnen, um eine konstante Quelle an Kunden-Insights zu erhalten.

Was du in den Kommentaren suchen solltest:

  • Kontext: Die spezifische Situation, in der sich die Person befindet (z. B. „Als Solo-Founder…“).
  • Schmerzpunkte:
    • Direkte Frustrationen („Ich habe es satt, dass…“).
    • Gestellte Fragen („Wie geht ihr mit… um?“ – das sind oft versteckte Schmerzpunkte).
  • Aktuelle Lösungen: Tools oder Workflows, die sie bereits ausprobiert haben, und warum sie gescheitert sind.
  • Weltanschauungen: Ihre Überzeugungen darüber, was funktionieren sollte oder nicht („Ich glaube nicht, dass KI jemals…“).

So kannst du tief in die echten Probleme und Bedürfnisse deiner Zielgruppe eintauchen und wertvolle Einblicke gewinnen.

Dein Aktionsplan

Wähle deinen Startpunkt

  • Musst du deinen Markt abstecken? → Beginne mit The Hive Index, um aktive Communities zu entdecken.
  • Willst du die echten, ungefilterten Probleme deiner Kunden sehen? → Nutze Anvakas Karte, um relevante Subreddits zu finden.
  • Brauchst du Echtzeit-Einblicke? → Überwache Slack-Communities und LinkedIn-Diskussionen von Influencern.

Richte dein Recherche-System ein (starte klein)

  1. Wähle EINE Plattform (Reddit wird empfohlen).
  2. Trete 2–3 mittelgroßen Communities bei (1.000–20.000 Mitglieder).
  3. Richte relevante Keyword-Benachrichtigungen ein.
  4. Erstelle ein einfaches Recherche-Logbuch (deine Notizen-App reicht aus).

Sammle diese spezifischen Datenpunkte (mit wörtlichen Zitaten)

  • Auslösende Situationen: „Ich war gerade mitten in [Aufgabe], als…“
  • Rohe Frustrationen: „Warum ist es so schwer, …?“
  • Gescheiterte Lösungen: „Ich habe [Tool/Prozess/System] ausprobiert, aber es … nicht.“
  • Investitionssignale: „Ich würde gerne dafür bezahlen…“ oder „Ich zahle bereits für X, Y, Z.“
  • Überzeugungen: „Das Problem bei den meisten Lösungen ist…“

💡 Pro-Tipp: Speichere die Zitate exakt so, wie sie geschrieben wurden. Die genaue Sprache, die Menschen verwenden, um ihre Probleme zu beschreiben, ist pures Gold für dein Marketing und deine Produktentwicklung.

Erinnerst du dich an den Reddit-Post um 1 Uhr morgens?

Genau solche Beiträge findest du, wenn du diesem Ansatz folgst. Statt Communities nur oberflächlich zu fragen: „Ist das ein Problem für dich?“ – was die Leute in den Präsentationsmodus versetzt – fängst du echte Probleme in ihrer natürlichen Umgebung ein. Wenn jemand um 1 Uhr morgens über seine Herausforderungen postet, versucht er nicht, professionell zu klingen. Er ist im Diagnosemodus und versucht, sein Problem zu lösen. Und genau diese rohe, ungefilterte Realität brauchst du, um wirklich zu verstehen.

Vielen Dank fürs Lesen!

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manuel